Vortrag von Professor Tobias Nicklas

„Die Präsenz der Bibel in unserer heutigen Kultur“

Die Berufsberatung an den Dr.-Johanna-Decker-Schulen ist breit gefächert: In der Woche zuvor konnten sich unsere Schülerinnen am „Tag des Handwerks“ praktische Berufe anschauen. Am Montagnachmittag, 13. Januar 2025, stand eher die Freude am theoretischen, geisteswissenschaftlichen Arbeiten im Mittelpunkt. Professor Tobias Nicklas hielt einen 90-minütigen Vortrag im Gerhardingersaal zum Thema: „Die Präsenz der Bibel in unserer heutigen Kultur“.  

Der gebürtige Burglengenfelder Tobias Nicklas ist Lehrstuhlinhaber an der Fakultät für Katholische Theologie an der Universität Regensburg. Sein Fachgebiet ist die Exegese und Hermeneutik des Neuen Testaments. Ihm war durchaus bewusst, dass er keine Theologiestudenten vor sich sitzen hatte, sondern Schülerinnen der 11. und 12. Klasse. So erklärte der Referent, der in Deutschland und den Niederlanden einige Jahre als Lehrer für Mathematik und Religion gearbeitet hat, den Begriff „Hermeneutik“ anschaulich: Die Auslegung eines Textes kann schon bei vermeintlich leichter Lektüre Probleme bereiten. Nicklas nannte als Beispiel eine Ikea-Aufbauanleitung, die des Öfteren für Verwirrung bei der Interpretation sorgt.  

Die Vorlesung beschäftigte sich mit der Frage, dass die Bibel immer noch ein einflussreiches, aber auch gefährliches Buch ist – wenn sie in die falschen Hände gerät. Die biblische Geschichte um die Arche Noah kann beispielsweise für rassistische Motive missbraucht werden: So könnte man den Satz aus dem Kontext reißen, dass die dunkle Hautfarbe eine Bestrafung für Noahs Sohn Ham ist, d. h. die Folge eines Fluch Gottes. Wenn man den Zusammenhang betrachtet, lässt sich daraus aber der Ursprung der Sklaverei nicht ableiten. Bei einer Fehlinterpretation ignoriert man die zentrale Lehre der Bibel: Menschenwürde und die Liebe Gottes.  

Auch in der aktuellen Politik findet man immer wieder Bezüge zur Heiligen Schrift. So posierte Donald Trump während seiner ersten Amtszeit im Juni 2020 mit einer Bibel in der Hand vor einer Kirche, kurz nachdem er Demonstranten der Black Live Matters-Bewegung vertreiben hat lassen. Trump ist nicht unbedingt für einen religiösen Lebensstil bekannt, vermutlich wollte er mit der Autorität der Bibel „Law and Order“ verkörpern, d. h. er hat sie mit dieser inhaltsleeren Geste für politische Zwecke instrumentalisiert.  

Der russische Präsident Wladimir Putin zitierte im März 2022 aus dem Johannes-Evangelium: „Es gibt keine größere Liebe, als wenn einer sein Leben für seine Freunde hingibt.“. Damit rechtfertigte er den Angriffskrieg gegen die Ukraine mit dem angeblich göttlichen Willen hinter dieser Mission. Diese Exegese missbraucht das Evangelium, um eine ganze Generation russischer Soldaten in einem sinnlosen Krieg zu opfern.  

Der vierfache Vater Tobias Nicklas leitet an der Universität Regensburg die Forschungsgruppe „Beyond canon“, d. h. die Beschäftigung mit den biblischen Texten, die nicht in den Kanon aufgenommen wurden und teilweise Apokryphen, d. h. versteckte Botschaften, beinhalten. Die Begeisterung für sein Projekt war ihm anzumerken, als eine Schülerin nachhakte, was es damit auf sich hat: „Wollen Sie bis heute Abend zu Hause sein? Darüber könnte ich lange reden.“ 

Organisiert hat diesen interessanten Vortrag Studienrat Oliver Weiß im Rahmen seines W-Seminars „Möge die Macht mit dir sein! – Christlich-biblische Motive in Blockbustern des 20. und 21. Jahrhunderts.“ 

Text: Simone Kurbjuweit, Bilder: Hendrik Rosenboem

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