Kann jeder komponieren?

Vortrag von Universitätsmusikdirektor Graham Buckland im Gerhardinger-Saal

Dass es kein trockener Vortrag werden würde am 19.10.2022, stand gleich am Anfang fest: Bevor noch gesprochen wurde, konzertierten Graham Buckland am Flügel und Schulleiter Hans Kistler an der Klarinette zusammen: Mit zwei vom Charakter her recht unterschiedlichen Schubert-Liedern stimmten sie die Zuhörerinnen und Zuhörer auf den Abend ein: „Sei mir gegrüßt“ und „Stürmische Liebe“. Studiendirektor Kistler stellte den Referenten des Abends in einer kurzen Ankündigung vor, die deutlich machte, dass die beiden sich lange und gut kennen. Als er im Regensburger Uni-Orchester als Klarinettist mitspielte, verriet Kistler, sei es ihm immer vorgekommen, als ob Universitätsmusikdirektor Buckland beim Dirigieren die Stücke gewissermaßen nachkomponiere, so liebevoll und mit Zuwendung zu Details habe er sich um die Musik gekümmert.

Graham Buckland – der den gesamten Vortrag über geschickt zwischen Laptop und Flügel wechselte und gewissermaßen auf beiden Tastaturen bzw. Klaviaturen spielte – näherte sich dann dem Thema des Abends, indem er die grundlegende Frage „Kann jeder komponieren?“ schon gleich rundweg prinzipiell bejahte, mit einer kleinen Einschränkung hinterher. Nicht jede oder jeder sei freilich zum Genie geboren. Aber Üben und das Handwerkszeug erlernen, das könnten alle. Und schon ging es los, und zwar mit dem Rhythmus. Spielerisch ließ er das Publikum zunächst einmal ein paar – anscheinend zufällig gewählte – Ortsnamen sprechen: Amsterdam – Prag, Amsterdam – Prag, Amberg – Prag … nur um dann, als sei es die natürlichste Sache der Welt, eine mehrstimmige Begleitung zu „Stille Nacht“ dazu zu spielen; der Schritt vom Rhythmus zur Melodie war getan. Von da an schlug der Blütenstengel seines Vortrags nach allen Seiten aus, und alle Knospen erfreuten die Zuhörer, ob es nun über Schlussakkorde ging (besonders erheiterndes Thema: Trugschlüsse) oder die Wahl der richtigen Tonart – stets hatten Bucklands Finger ein passendes Beispiel parat.

Als Etüde für angehende Komponistinnen und Komponisten stellte er dann seine Methode des Umgangs mit „Schnipseln“ eines Musikstücks vor: Dabei ist die Aufgabe, zunächst eine Komposition von beispielsweise Franz Schubert in kleinste Melodie- und Harmonie-Einheiten zu zerstückeln, und diese Elemente dann wieder zu einem neuen Stück zusammenzubasteln, so dass man am Ende meinen könnte, Schubert selbst hätte das Stück komponiert. Zur Demonstration einer kunstvoll gelungenen Arbeit nach diesem Muster spielten abschließend Buckland und Kistler noch einmal die beiden Schubert-Stücke vom Anfang, jedoch in dekonstruierter und neu konstruierter Gestalt – auch dies wieder ein Hörgenuss!

Schulleiter Hans Kistler bedankte sich bei Graham Buckland für die „vergnügliche Annäherung“ ans Komponieren und den quasi-konzertanten Vortrag dazu, das Publikum dankte mit herzlichem Applaus.

Der Elternbeirat der DJDS war in der Pause aktiv gewesen und hatte im Steinernen Gang Erfrischungen angeboten. Die Elternvertreterinnen und -vertreter zeigten sich wie auch die anwesenden Schülerinnen, Eltern, Lehrkräfte und externen Gäste erfreut über die ebenso unterhaltende wie lehrreiche musikalische Darbietung.

Graham Buckland (* 27. Januar 1951 in Weymouth, Dorset, England) ist ein britischer Dirigent und Komponist.

Buckland trat 1970 zum ersten Mal in die Dirigierklasse von George Hurst an der Canford Summer School ein. Hurst blieb sein Mentor bis ins Jahr 1987.

Ab 1970 folgten ein Studium (Komposition/Musikwissenschaft/Klavier) am Corpus Christi College Cambridge sowie ein Jahr am Londoner Opera Centre. Im Jahr 1974 gewann er ein Stipendium des British Council für ein vertieftes Studium der Opern von Janáček bei Frantíšek Jílek in Brno (Brünn, damals Tschechoslowakei).

Er blieb drei Jahre und kombinierte das Studium mit seinen ersten Engagements als Solorepetitor am Nationaltheater Prag und als Kapellmeister am Staatstheater Ústí-nad-Labem (Aussig). Weitere Theaterstationen in Nürnberg, Hannover und Oldenburg schlossen sich an. Er wurde Chefdirigent in Hildesheim und 1991, auf Empfehlung von Jílek, in Brno. Er ist als Gastdirigent u. a. in Brüssel, Glasgow, Boise (USA), Prag, Brno, Ostrava, Hannover, Essen, Ulm und Hildesheim aufgetreten.

Im Jahr 1995 wurde ihm die Leitung des Universitätsorchesters Regensburg übertragen, wo er bis 2016 tätig war, seit 2003 als Universitätsmusikdirektor.

Er gründete in Regensburg zusätzliche Einrichtungen wie das Kammerorchester der Universität, den Kammerchor und die Kammeroper, sowie ein Barockorchester und zahlreiche kleinere Ensembles.

Im Jahr 2001 gründete er das Festival Kallmünz mit Schwerpunkt zeitgenössischer Musik, welches 2010 das erste Festival mit dem Titel „überBrücken“ in Zusammenarbeit mit der Stadt und der Universität Regensburg präsentierte.

Im Jahr 2006 wurde ihm der Kulturpreis der Universitätsstiftung Pro Arte Regensburg verliehen.

Von 1997 bis 2012 unterrichtete Buckland Orchesterleitung an der Hochschule für katholische Kirchenmusik und Musikpädagogik Regensburg. Er ist zusätzlich als Komponist und Herausgeber überwiegend beim Bärenreiter-Verlag tätig.

Bilder: djds