DJDS-Schultheatergruppe überzeugt

Polnischer Regisseur Grzegorz Szlanga verleiht der Aufführung Tiefe und Ernsthaftigkeit

„Der Herr der Fliegen“, der berühmte Roman von William Golding – eine wirklich anspruchsvolle Herausforderung, die die Theatergruppe der DJD-Schulen und ihre Spielleiter da angenommen hatten. Heraus kam allerdings weit mehr als nur ein „benutzerfreundliches Stück“, wie Spielleiter Peter Ringeisen es zu Beginn der Vorstellung im Bezug auf die überschaubare Länge des Stücks scherzhaft ankündigte. Die zwölf jungen Schauspielerinnen setzten den Inhalt dieses ernsten, gar verstörenden Werkes mit großer Überzeugungskraft und sichtbarer Spielfreude beeindruckend – und beklemmend – um. Begleitet und unterstützt wurden die Mädchen bei ihrer Probenarbeit nicht nur von den Lehrkräften Peter Ringeisen und Florian Hackl, sondern auch von dem polnischen Regisseur, Theaterleiter und Kinderbuchautor Grzegorz Szlanga. Ihn verbindet seit 2011 eine grenzübergreifende Theaterfreundschaft mit den DJD-Schulen. Diese Produktion ist nach „Oskar und die Dame in Rosa“ schon die zweite Schultheateraufführung, die er in Amberg begleitet.

Der Gerhardinger-Saal war am Mittwoch, den 8. März 2023, sehr gut gefüllt, als Peter Ringeisen und Grzegorz Szlanga eine kurze Einleitung zum bevorstehenden Stück gaben. Insbesondere gingen sie auf die Tatsache ein, dass es sich in der Romanvorlage bei den auf einer Insel gestrandeten Kindern und Jugendlichen allesamt um Jungen handelte, während in der aktuellen Adaption alle Gestrandeten Mädchen waren. Der Bezug zum Weltfrauentag (8. März) sei deshalb ganz bewusst gewählt worden.

Das Stück selbst begann mit dem Absturz des Flugzeugs, das die Kinder und Jugendlichen auf die Insel brachte. Auf eine – von einer engagierten Stewardess untermalten – launigen Durchsage des Flugkapitäns folgte der „Absturz-Blackout“. Die Überlebenden irrten mit ihren Handylampen durch das Dunkel und das Publikum, welches so von Anfang an von den Schauspielerinnen in ihren Bann gezogen wurde. Es lernte zu Beginn gleich zwei entscheidende Protagonistinnen kennen: Die unsichere Blondie (hinreißend verkopft gespielt von Leni Flöter) und die kecke Ruby, überzeugend verkörpert durch eine selbstbewusste Kimberly Reuter. Während Blondie stotternd ihre körperlichen Unzulänglichkeiten aufzählt und sich nach ihrer Tante sehnt, hat Ruby längst das große Ganze im Blick und trommelt die Überlebenden zusammen. Um jedoch die Rolle der Anführerin für sich verbuchen zu können, muss sie sich erst einmal gegen die aggressive Jackie durchsetzen. Kaya Lorenz spielt diese raubeinige Kapitänin mit ihrem Cheerleadergefolge wunderbar konfrontativ und mit einem Hang zur Grausamkeit. Doch trotz des lauten und wilden Gebarens von Jackie kann Ruby sich durchsetzen und zur Anführerin küren lassen – nicht zuletzt mit der Aussicht darauf, dass sie dafür sorgen wird, dass die Gruppe irgendwann endlich wieder Spaghettieis bekommen wird.

Beraten wird die geschickte Ruby dabei von Blondie, die ihr Ideen einflüstert und sie kreativ berät. So erhält Jackie die Aufgabe, das Jägerteam zu leiten – was sie voller Tatendrang und Blutdurst tut. Ihre Jägerinnen (Ciara Pflaum, Melanie Gruber, Nina Hauser, Lina Eiban, Ronja Maurer, Frieda Schindhelm, Katharina Papp und Antonia Schlegel) bemalen sich mit Tarnfarbe – originell: Wimpertusche! – und stampfen und tanzen zu starken Beats.

Beeindruckend war auch die schauspielerische Leistung von Sina Wittl, die die „kleine Sophie“ verkörperte und sich als diese ängstlich hinter Koffern versteckte. Ihre Panik vor „dem Tier“ steckt auch Blondie an, die jedoch bewusst rational versucht, ihre Angst in den Griff zu bekommen.

Als endlich ein Schiff am Horizont auftaucht, ist der Jubel groß. Noch größer jedoch ist die Empörung, als das Schiff vorbeizieht, da irgendjemand das Signalfeuer hat ausgehen lassen. Ruby und Jackie beschuldigen sich gegenseitig – es kommt zum ersten großen Streit, der von wüsten Schimpfwörtern begleitet wird (wie von Peter Ringeisen im Vorfeld angekündigt …).

Schließlich wenden sich die Schauspielerinnen dem Publikum zu. Sie sehnen sich nach den Erwachsenen, die – angeblich – in dieser Lage wüssten, was zu tun wäre. Die Tee trinken und ruhig reden statt streiten würden. Diese Behauptungen mussten dem Publikum angesichts der Realität in der Welt zu denken geben.

Ein weiteres Highlight des Stücks war die Fliegenplage, von der die Gestrandeten heimgesucht werden und der sie sich mit aller Macht erwehren müssen. Schließlich muss Jackie zugeben, noch kein Wild erlegt zu haben. Stattdessen sucht sie nach einer „Freiwilligen“, die als „Schwein“ dient. Die kleine Sophie tritt nicht rechtzeitig zurück und wird zum ersten Opfer der Gemeinschaft – doch nicht zum letzten. Denn kurz darauf wird auch Blondie getötet, als sie schlichtend in einen Kampf zwischen Ruby und Jackie eingreifen will. Mitten in diesen dramatischen Höhepunkt hinein erhalten die Jugendlichen einen Anruf: Ein Schiff steuert die Insel an und fragt, ob es Tote gab. „Nur zwei“, lautet die ernüchternde Antwort. Statt sich jedoch für die Toten zu rechtfertigen, gehen die Jugendlichen zum Gegenangriff über. Sie hätten erkannt, dass sie den Erwachsenen egal wären. So entscheiden sich die Inselbewohnerinnen am Ende gegen eine Rettung und nehmen Stellung ein gegen mögliche „Retter“.

Der Applaus für die Schauspielerinnen und ihre Spielleitung war laut, anhaltend – und vor allem wohlverdient. Man konnte während des Stücks deutlich spüren, wie intensiv sich die Mädchen mit dem Thema auseinandergesetzt und es zu „ihrer“ Geschichte gemacht hatten. Umso schöner war es, im Nachklang zu sehen, dass die Stimmung in der Gruppe in Wahrheit eine völlig andere war als unter den Gestrandeten, nämlich ausgelassen und voller Verbundenheit. In diesem Sinne bedankten sich die Schülerinnen auch bei ihren Leitern und ganz besonders bei ihrem langjährigen Theaterlehrer Peter Ringeisen, für den es das letzte Jahr regulärer Schulspielarbeit ist. Wir hoffen natürlich, dass wir sowohl von der Gruppe als auch von ihm noch mehr zu sehen bekommen werden …

 

Text: Claudia Ried, Schultheaterleiterin am Gregor-Mendel-Gymnasium
Bilder: rom