„Lust an der Literatur ist auch die Lust zu leben“
Fünftklässlerinnen verbringen Nacht in der Stadtbücherei
Als die Schülerinnen der fünften Klassen des Gymnasiums am Abend des 21.11.23, also vor dem für sie unterrichtsfreien Buß- und Bettag, mit Müttern, Vätern, Omas und Opas vor der Tür der Amberger Stadtbücherei standen, hätte man einen mehrwöchigen Ausflug vermuten können. Ihr Gepäck versprach, dass wirklich für alles gesorgt war, natürlich auch für das leibliche Wohl.
Gabriele Gauder, Mitarbeiterin der Stadtbücherei, bewaffnet mit einem Schlafsack, der bereits in Machu Picchu erprobt wurde, begrüßte die Mädchen herzlich. Sie bot ihnen eine Führung, die alle Möglichkeiten des Hauses kindgerecht ins Auge fasste, lud die Mädchen herzlich ein, auch weiterhin hier Gast zu sein und zu entdecken, was ihre Neugierde stillt.
Die kommenden Stunden waren prall gefüllt, zuerst mussten etliche Schülerinnen der elften Jahrgangsstufe kennengelernt werden, die auch musikalisch für eine Überraschung sorgten. Der richtige Ort zum Schlafen wurde erkundet und ausgestattet. Merke: Mädchen haben es gerne schön! Begleiter wie der Teddy Max und viele andere Kuscheltiere, die noch namenlos durch die Welt laufen, fanden ihren Platz.
Kurzerhand verwarfen die begleitenden Lehrkräfte, Frau Pröls, Herr Hackl und Frau Decker, Pläne, denn die Kinder wussten es besser. Es schien, als wären sie in dieser Stadtbücherei daheim. Sie lasen einzeln, zu zweit, in Gruppen, sie sprachen über die Bücher, die „süchtig“ machen, weil man kaum den nächsten Band erwarten kann. Schülerinnen schlugen sich gegenseitig vor, welche Lektüre die nächste sein soll.
Zu den älteren Mädchen fanden die Fünftklässlerinnen schnell einen Bezug, es wurden, stufen- und klassenübergreifend, neue Freundschaften geschlossen. Tatsächlich hatte eine Elftklässlerin am kommenden Morgen Tränen in den Augen, als sie einen in der Nacht verfassten Dankesbrief in Händen hielt.
Es wurde gelesen, gelacht, gewispert, bis schließlich die Augen zufielen.
Elke Heidenreich stellt in einem ihrer Texte fest, dass Literatur immer „auch die Lust zu leben“ ist. In ein Buch hineinzufallen, in ihm zu versinken, das sei ein Stück Lebenskunst. So ist es.
Deutschlehrer argumentieren anlässlich von Elternabenden mit Bildung, mit Sprachempfinden, mit Rechtschreibung … All das ist richtig, aber nicht genug. Ein Buch, so Elke Heidenreich, hilft zu leben, wenn es einer Leserin im richtigen Augenblick begegnet, es tröstet und ermutigt, denn es gibt darin Figuren, die Ähnliches erlebt und durchstanden haben. Literatur bietet Identifikationsangebote, vermittelt Werte, weckt Sehnsüchte, schürt notwendigen Widerstand.
Als Frau Gauder die Lehrkräfte mit den berührenden Worten verabschiedete, ihre Schülerinnen seien ein „Traum“, da wurde noch einmal bewusst, wie viel Grund zur Dankbarkeit besteht.
Es waren unvergessliche Stunden, die wir in der wunderschönen Amberger Stadtbücherei verbringen durften.
Wir danken insbesondere Frau Gauder, dieser engagierten und herzlichen Persönlichkeit, dem wundervollen Team der Stadtbücherei, aber eben auch den Eltern der Schülerinnen unserer fünften und elften Jahrgangsstufen, die uns ihre „Träume“ anvertraut haben!
Text: dek, Bilder: hak/prö