Entspannter lernen zu Hause

Verena Mayer referierte auf Einladung des DJDS-Elternbeirats

Der Titel des Vortrags traf wohl den Nerv vieler: Der Gerhardingersaal war am Donnerstag, 9. März 2023, um 19 Uhr gut gefüllt. Circa 150 Zuhörerinnen und Zuhörer waren gespannt, welche Tipps Verena Mayer, zertifizierter Coach und studierte Kommunikationswirtin, parat hatte. Denn die wenigsten Kinder kommen mühelos und scheinbar ohne Probleme durch die Schullaufbahn. Nach einer kurzen Begrüßung durch Realschulkonrektorin Gaby Tröster zitierte Mayer eine Studie, dass nur sechs Prozent der 13-Jährigen gerne in die Schule gehen. Für die meisten bedeutet Unterricht Anstrengung und oft auch Frustration. Verena Mayer selbst vergisst nie den Schultag in der 3. Klasse, als ihr Musiklehrer ihr befahl, nur lautlos den Mund zu öffnen und zu schließen: „Du versaust mir sonst meinen ganzen Chor.“ Dieser eine Satz habe sie lange geprägt. Auch in anderen Fächern wollte sie sich danach nicht melden: Es könnte ja so enden wie bei der Chorprobe.

Der knapp zweistündige Vortrag war sehr kurzweilig, da die Referentin viele Beispiele und Anekdoten aus dem Alltag einbaute: Sie ist selbst zweifache Mutter einer 10-jährigen und einer 12-jährigen Tochter. Um zu verdeutlichen, wie das Gehirn funktioniert, brauchte sie zwei Zuhörer, die vor dem gesamten Publikum eine einfache Matheaufgabe vorrechneten. Die Suche nach Freiwilligen gestaltete sich etwas zäh, was Mayer trocken kommentierte: „Aber Ihre Kinder ermuntern Sie bestimmt, im Unterricht mehr mitzuarbeiten.“ Schließlich meldete sich der Elternbeiratsvorsitzende Felix Kick, der diesen Vortrag  zusammen mit den anderen Elternbeiräten organisiert hatte.

Hier eine kleine Auswahl an praktischen Tipps, die anschaulich vorgestellt wurden:

  • Wenn das Kind jammert: „Ich kann das nicht!“. Unbedingt das Wort „noch“ hinzufügen, denn das macht Mut: „Du kannst das noch nicht, aber wir üben es.“
  • Struktur ist für das menschliche Gehirn enorm wichtig. Außerdem braucht es Routine, damit die Aufgabe weniger anstrengend ist. Wiederholung ist deshalb das A und O, um sich den Lernstoff dauerhaft einzuprägen. In der letzten Ferienwoche der Sommerferien sollte man beispielsweise ein paar kurze Wiederholungsphasen einbauen, um das Gehirn wieder in Schwung zu bringen.
  • Zu den sogenannten „Masterfähigkeiten“ gehört unter anderem Visualisieren. Im Kopf sollten beim Lernen bunte Bilder und am besten auch Emotionen entstehen.
  • Der Lernstoff muss unbedingt reduziert werden. Das bedeutet aber nicht, einfach die Hälfte wegzulassen. Vielmehr sollte das Wesentliche erkannt werden. Diese Fähigkeit schult man unbewusst beim guten alten „Spickzettel“ – der natürlich nur vor und nicht während der Prüfung zum Einsatz kommen darf.
  • Die Faustregel für die Konzentrationsfähigkeit bei Kindern lautet: Alter mal 2 = Konzentrationsspanne in Minuten. Somit kann sich zum Beispiel ein zehnjähriges Kind  ca. 20 Minuten auf das Thema fokussieren, bevor es eine kurze Pause von zwei oder drei Minuten braucht. Im Unterricht wird diese Pause oft durch einen Methodenwechsel wie Partnerarbeit erreicht. Bei längeren Klassenarbeiten wie Schulaufgaben ist es sinnvoll, dass sich das Kind eine ganz kurze Pause gönnt. Ein paar Sekunden die Augen schließen, bewusst tief durchatmen und einen Schluck Wasser trinken reicht oft schon. Laut Mayer entdeckt man dann vielleicht sogar noch die Aufgabe 3c.
  • Oft hören Kinder von Eltern und Deutschlehrern den Tipp: „Lies den Aufsatz am Ende noch einmal gut durch.“ Im Gehirn wird dabei aber nur eine Art Autokorrektur aktiviert und es erkennt schon nach dem zweiten oder dritten Buchstaben, wie das Wort heißen soll. Dass man bei „Fahrrad“ ein „r“ vergessen hat, merkt man jedoch leider nicht. Um Rechtschreibfehler zu entdecken ist es deshalb sinnvoll, beim Lesen am Ende des Aufsatzes zu beginnen und zuerst das letzte Wort, dann das vorletzte Wort usw. zu untersuchen. Man sollte den Text praktisch von hinten nach vorne lesen.
  • Das Patentrezept für motiviertes Lernen gibt es leider nicht. „Heitere Gelassenheit“ bei den Eltern helfe laut Mayer jedoch fast immer. Hilfreich ist auch ein Perspektivenwechsel. Welcher Erwachsene würde sich zum Beispiel freuen, wenn er unmittelbar nach Feierabend an der Haustür von seinem Kind mit den Worten empfangen wird: „Wie war´s in der Arbeit? Hast du eine Bewertung vom Chef bekommen? Wenn es noch etwas zu überarbeiten gibt: Mach es doch gleich, dann ist es erledigt.“
  • Positive Sprache ist sehr wichtig. Am Abend vor der Klassenarbeit sollte man deshalb nicht zum Schüler sagen: „Du musst keine Angst vor Mathe haben.“ Denn das Gehirn assoziiert den Test dann automatisch mit Angst. Motivierender wäre: „Gib einfach dein Bestes. Ich glaub an dich.“
    Oder: „Du hast acht Aufgaben richtig, prima!“ ist besser formuliert als „Du hast nur zwei von 10 Aufgaben falsch.“
  • Für die Selbstorganisation sollte der Schreibtisch aufgeräumt sein. Ein bereit liegendes Handy lenkt natürlich ab. Kinder brauchen außerdem Berechenbarkeit: In der Schule wissen sie, dass montags in der zweiten Stunde Mathe an der Reihe ist. Für das Lernen daheim ist es sinnvoll, feste Zeiten zu vereinbaren. Zwei Lerneinheiten von je 20 Minuten am Nachmittag für Vokabeln oder Hefteinträge reichen oft schon aus.

Wer sich näher für dieses Thema interessiert, um das Familienleben entspannter zu gestalten: Verena Mayer verwies auf Online-Seminare der Akademie für Lernpädagogik. Kinder haben hier 75 Minuten lang die Gelegenheit zu testen, wie man trockenen Lernstoff mit Abwechslung und sogar Spaß bewältigt.

 

Bilder: rom
Text: kur